Wie von Flensburg nach Neapel.
Ein Vergleich, der sich eingeprägt hat, obwohl der Schnellcheck ergab, dass die Ost-West-Ausdehnung der Türkei mit 1570 Kilometer um ca. 500 km kürzer ist als die von EU-Experte Jörger gewählte Vergleichsdistanz. Aber: Die Unterschiede, denen man geografisch, gesellschaftspolitisch und kulturell zwischen der norddeutschen Stadt und dem Goethe‘schen Sehnsuchtsort begegnen würde, sind wohl ein gutes Bild auch für die Umbrüche und (Seelen-)Landschaften in der Türkei unserer Tage. Der 6. Länderabend des Europe-Direct Informationszentrums Dresden in der Fokus-Reihe durchmaß Traumata und beleuchtete Gräben in den aktuellen Beziehungen zwischen dem Land am Bosporus und seinen europäischen Nachbarn.
Und den drei Podiumsmitgliedern, Psychotherapeutin und ZEIT-Kolumnistin Deniz Baspinar, Politologe und TEAM Europe-Experte Michael Jörger und Türkei-Diplomat im Auswärtigen Amt Michael Geisler, gelang ein unterhaltsamer und „lehrreicher“ Eingangsvortrag sowie eine im Laufe des Abends lebhafter und tiefgründiger werdende Diskussion vor zahlreichem Publikum im vollen Martha-Fraenkel-Saal des Hygienemuseums Dresden. Wie wird es gelingen, den tiefen Riss, der seit dem Putschversuch im Jahr 2016 durch nahezu jede türkische Familie geht, zu heilen, wie den eingeschlagenen Weg Atatürks zum modernen, laizistischen Staatsgebilde mit den Bestrebungen einer neuen nationalen Religiösität vereinen? An einem Abend wie diesem sollten mehr Fragen offen bleiben als Antworten gegeben sein. Vor der Türkei scheint eine wahre Herkulesaufgabe zu liegen. Kann, muss „Europa“ unterstützen?
Die Veranstaltung fand am Dienstag, den 10.10.2017, 18.30 Uhr im Deutschen Hygiene-Museum Dresden statt und ließ die diesjährigen Interkulturellen Tage ausklingen.
Zum ersten Mal reiste Länderreihe auch nach Leipzig, wo sie am Mittwoch, den 11.10.2017, im Grassimuseum stattfand.
über die die Referent*innen:
Dipl.-Pol. Michael Jörger, Expertendienst TEAM EUROPE der Europäischen Union
Dipl.-Psych. Deniz Baspinar, Psychologische Psychotherapeutin, ZEIT-Autorin, Köln
Dr. Michael Geisler, Auswärtiges Amt, Berlin
Für die Veranstaltung in Leipzig konnte zudem Dr. Yaşar Aydın, Sozialwissenschaftler, Mitglied des Hamburger TürkeiEuropaZentrums, für das Podium gewonnen werden.
In den Gassen von Istanbul. Bild: Pixabay.com
Die Veranstaltungsreihe "FOKUS" stellt die Länder und Regionen vor, aus denen die in Europa, Deutschland und Dresden ankommenden Geflüchteten stammen. Damit verbunden ist auch der Blick auf die Fluchtrouten, die widersprüchlichen Vorstellungen zu einer humanen Behandlung und gerechten Verteilung Asylsuchender sowie die Herausforderungen für verschiedene Aufnahmeländer. Zu Wort kommen Expert*innen aus Kunst, Wissenschaft und Politik, in deren eigenen Biografien sich die vielfältigen Beziehungen zwischen verschiedenen Lebenswelten zeigen. Die Vortragsabende lassen uns so über das ins Gespräch kommen, was Herkunfts- und Aufnahmeländer der Flüchtlinge auch jenseits der aktuellen Krisenbewältigung verbindet.